Im ersten Blogartikel dieser zweiteiligen Serie haben wir zwei Modelle zum Ablauf von Veränderungsprozessen unter die Lupe genommen. Diese Modelle zeigten auf, wie solche Prozesse idealerweise ablaufen, um erfolgreich Veränderungen anzugehen. Sie liefern damit wertvolle Implikationen für die Praxis insbesondere im Hinblick auf Leadership und Kommunikation. Im zweiten Teil schauen wir uns nun drei weitere Theorien an, die relevant für die erfolgreiche Implementierung von Change sind.
Vor jeder wichtigen Veränderung, muss sich ein Unternehmen zuerst im Klaren sein, welcher Ansatz im vorherrschenden Kontext der richtige ist. Wie im vorherigen Artikel angedeutet, müssen nicht alle Change Prozesse top-down initiiert werden, sondern können auch bottom-up oder aus einer Mischung beider Formen entstehen.
Ansätze für Veränderungen
Top-down
Der wohl bekannteste und meiste verbreitete Ansatz ist der Top-down Ansatz. Dabei geht die Veränderungen vom Top-Management aus, die sowohl die Planung und Umsetzung übernimmt, als auch die Vision vorlebt. Die Mitarbeiter sollen dann diese Veränderungen basierend auf den Anweisungen implementieren. Problem dabei ist, dass dieser Ansatz häufig auf bedeutenden Widerstand stösst. Mitarbeiter entwickeln im Laufe der Zeit eine Komfortzone, die sie nur ungern und wenn, dann nur mit Widerstand verlassen. Ein weiterer Nachteil dieses Ansatzes kann sein, dass die vorgelebte Vision bei den Mitarbeitern der untersten Hierarchieebene verfälscht ankommt.
Bottom-up
Im Gegensatz zum Top-down Ansatz, wird der Veränderungsprozess hier von Mitarbeitern der untersten Hierarchieebene initiiert und gelangt dann nach oben zum Top-Management. Ein Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die unteren Hierarchieebenen am besten wissen, wo Veränderungen nötig sind und welche wirkungsvoll sein könnten. Mitarbeiter dieser Hierarchiestufe werden sich aber meist nicht allzu weit aus der vorher angesprochenen Komfortzone bewegen und solche Veränderungen in die Wege leiten. Zudem mangelt es ihnen oft an nötigem Fachwissen zur Initiierung und Steuerung komplexer Wandlungsprozesse.
Both directions
Der Both directions Ansatz ist eine Mischung aus Top-down und Bottom-up Ansatz und bietet somit die Vorteile beider Ansätze und vermeidet deren Nachteile. Mitarbeiter der untersten Hierarchiestufe fühlen sich nicht benachteiligt, was wiederum zu geringerem Widerstand führt. In der Praxis kann dies auf verschiedene Arten umgesetzt werden. Zum Beispiel könnten Führungskräfte in der unteren Hierarchieebene durch die Interaktion mit den Mitarbeitern nach Antreibern für Veränderung suchen. Anschliessend können sie die Inputs der Mitarbeiter mit den Veränderungswünschen des Top-Managements abgleichen. So können schrittweise Lösungen erarbeitet werden, die für alle passen.
Multiple Nucleus
Als letztmöglichen Ansatz gibt es noch den Multiple Nucleus Ansatz, was soviel heisst wie mehrere Kerne. Im Gegensatz zu den anderen Ansätzen starten hier die Veränderungen gleichzeitig an mehreren Orten im Unternehmen. Wenn alle Bereiche die Veränderungen implementiert haben, ist der Veränderungsprozess abgeschlossen. Es ist offensichtlich, dass dieser Ansatz schnell zu Chaos führen kann, da er aufwändig zu koordinieren ist. Bei Hierarchien, die keine vertikale Umsetzung zulassen, kann dieser Ansatz aber durchaus hilfreich sein, da die Implementierung dann horizontal und an mehreren Bereichen gleichzeitig stattfinden muss.
Top-down und Both directions finden in der Praxis die häufigste Anwendung. Reine Bottom-up und Multiple Nucleus Ansätze sind dagegen selten. Als Faustregel gilt, dass nur soviel Top-down wie nötig und aber so viel Bottom-up wie möglich gewählt werden sollte. Im Best Case Scenario kommen Veränderungswünsche sowohl vom Top-Management als auch von den Mitarbeitern der untersten Hierarchieebene und werden gemeinsam diskutiert und implementiert.
Formel für Wandel von Dannemiller und Jacobs
Zwei Akademiker haben 1992 eine Formel aufgestellt, mit der berechnet werden kann, wie wahrscheinlich eine Veränderung erfolgreich umgesetzt werden kann. Diese Formel wird auch in der Praxis von Beratungsunternehmen oft genutzt.
Auf der rechten Seite der Gleichung befindet sich der Widerstand gegenüber des Wandels. Auf der linken Seite befinden sich folgende drei Faktoren:
- D – Unzufriedenheit mit dem Status Quo
- V – Vision des Möglichen
- F – Erste konkrete Schritte, die zur Verwirklichung der Vision unternommen werden können.
Wenn das Produkt auf der linken Seite grösser ist als R, ist die Umsetzung einer Veränderung möglich. Da die drei Faktoren auf der linken Seite multipliziert werden, ergibt das Produkt null, wenn ein Faktor null ist. Wenn also einer der drei Faktoren null wäre, wäre der Widerstand zu gross, um ihn überwinden zu können.
Nach der Formel sind folgende Voraussetzungen notwendig, um einen erfolgreichen Wandel zu gewährleisten:
- Kommunikation einer klaren Vision, von dem was möglich ist
- Identifikation von entscheidenden ersten Schritten in Richtung Vision
- Erkennen der Unzufriedenheit: Auf Stimme der Mitarbeiter hören und mit ihnen Branchentrends, Best Practices und Konkurrenzanalysen austauschen, um die Notwendigkeit einer Veränderung zu vermitteln
7-Phasen Modell von Richard Streich
Zum Schluss dieser zweiteiligen Blog-Serie werden wir uns noch ein letztes Modell anschauen. Zwar geht es dabei um emotionale Reaktionen. Tiefgreifende Veränderungen können wie bereits erwähnt heftige Reaktionen und Widerstand bei den Betroffenen auslösen. Laut Streich vollziehen sich die emotionalen Reaktionen auf grössere, plötzliche Veränderungen in sieben Phasen. Bei kleineren oder wenig überraschenden Veränderungen, sowie bei Veränderungen, die durch den Einbezug der Mitarbeiter erarbeitet wurden, ist dieses Modell weniger relevant.
Der Verlauf der emotionalen Reaktion ist wichtig für das Change Management, um adäquat zu kommunizieren und den Führungsstil anzupassen. Wenn man die Phasen kennt, die die Mitarbeiter durchlaufen, kann man sie auch schon im vorneherein planen.
In der ersten Phase werden Mitarbeiter mit den notwendigen Veränderungen konfrontiert und reagieren typischerweise geschockt darauf. Durch Angst, Überraschung und Unverständnis sinkt oft auch die Produktivität der Mitarbeiter.
Darauffolgend kommt es zur Phase der Ablehnung. Routinierte Mitarbeiter mobilisieren sich und sprechen sich bewusst gegen die Veränderung aus Angst vor dem Neuen und dem Verlust der vertrauten Unternehmenskultur.
Nach der initialen Ablehnung zeigen die Mitarbeiter allmählich Einsicht für den Wandel. Sie realisieren, dass die Veränderung nicht verhindert werden kann und eventuell sogar notwendig ist. An diesem Punkt sind die Mitarbeiter jedoch noch nicht bereit zur persönlichen Veränderung.
Den Tiefpunkt und sogleich den Wendepunkt im 7-Phasen Modell bildet die emotionale Akzeptanz. Nebst dem rationalen Verständnis beginnen die Mitarbeiter nun auch emotional den Wandel zu akzeptieren und sind innerlich bereit, neue Wege zu beschreiten.
Es folgt die von Neugier geprägte Phase des Ausprobierens. Neue Verhaltensweisen werden ausprobiert, wobei es auch immer wieder zu Fehlern kommt. Trial and Error ist ein wichtiges Element dieser Phase.
Nachdem die Mitarbeiter erste Verhaltensweisen erfolgreich umgesetzt haben, erkennen sie, dass die Veränderungen sinnvoll und umsetzbar sind.
In der letzten Phase des Modells steht die Integration der neuen Struktur und Verhaltensweisen in den Alltag. Durch den Erfolg des Wandels werden die Mitarbeiter selbstbewusster, was zu einer Leistungssteigerung führen kann. Nach und nach bildet sich somit eine neue Routine.
Die in den beiden Teilen vorgestellten Modelle liefern also zumindest ansatzweise Antworten auf bekannte Fragestellungen im Zusammenhang mit Change Management. Sie können genutzt werden, um komplexe Vorgänge vereinfacht darzustellen und somit einen besseren Überblick und mehr Klarheit zu gewinnen. Weiter liefern sie wertvolle Implikationen für Kommunikation und Leadership während Veränderungsprozessen und hoffentlich auch Inspiration für die Kontextualisierung in Ihrem Unternehmen.