Im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung kommt es bei zahlreichen Unternehmen zu einschneidenden Veränderungen. Beispielsweise können Arbeitsschritte oder teilweise sogar ganze Jobs, die zuvor von Menschenhand ausgeführt wurden, nun von Computern erledigt werden. Eine andere brandaktuelle Veränderung beobachten wir mit Meetings, die mithilfe von Software wie Zoom oder Slack durchgeführt werden können. Home-Office ist insbesondere im Hinblick auf COVID-19 ein Stichwort, wobei diverse Unternehmen die Opportunitäten, die damit einhergehen, erkannt haben und zumindest auf längere Zeit grösstenteils auf diese Modalität umsteigen.
Andere Veränderungen, ferner der COVID-19 Situation, beinhalten die Verlagerung von Teilen der Wertschöpfungskette ins Ausland, wo kostengünstigere Produktionsfaktoren zur Verfügung stehen. Dem entgegenwirkend, gibt es immer mehr Möglichkeiten, diverse Unternehmensbereiche und ihre Prozesse mittels Digitalisierung von teurer manuellen Arbeit zu befreien und stattdessen mit Maschinen, Robotern und Software zu erledigen. Dadurch werden die Opportunitätskosten zunehmend minimiert und die Entscheidung zur Abwanderung in alternative Produktionsländer nicht mehr die logische Folge. Diese Umstellungen sind nicht nur für die Unternehmen ein grosser Schritt, sondern auch für ihre Angestellten. Diese grundlegenden Änderungen erfordern ein Umdenken der Mitarbeiter. Natürlich aber auch Mobilität im Handeln. Sie können sich denken, dass solche Veränderungen nicht einfach so reibungslos von heute auf Morgen gelingen. Ganz im Gegenteil – häufig sind diese Veränderungen begleitet von Widerstand, Angst, Unsicherheit und Unverständnis. Unternehmen sollten dies denn auch nicht unterschätzen. Denn die Mitarbeiterbindung und die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber stellen oftmals einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Um diesen nicht zu verlieren und die Veränderungen mit geringstmöglichem Widerstand durchzusetzen, sind in Zeiten des Wandels Kommunikation und Leadership besonders wichtig.
In dieser Blogartikel-Serie stelle ich kurz ein paar der wichtigsten und meistgenutzten Theorien in chronologischer Reihenfolge zum Thema Change Management vor, die Sie für Ihr Unternehmen nutzen können. Dabei gilt es zu beachten, dass es weder richtig noch falsch gibt und alle erläuterten Theorien ihre Daseinsberechtigung haben, was aber nicht heissen muss, dass man sich in jeder Situation auf sie verlassen kann.
Das 3-Phasen Modell des Wandels von Kurt Lewin
Da Change Management auch schon vor dem Aufkommen der Digitalisierung und Globalisierung wichtig war, hat sich die Wissenschaft schon früh für diese Thematik interessiert. Einer der Pioniere war Kurt Lewin, der mit seinem 3-Phasen Modell ein weit verbreitetes Framework geschaffen hat, das die Phasen des Wandels in gesellschaftlichen Gruppen beschreibt.
Das Modell ist intuitiv und relativ simpel:
- Unfreezing beschreibt die Vorbereitung der alten Struktur auf eine Veränderung. Es wird Zeit aufgewendet, um sich auf die Veränderung vorzubereiten. Es werden Pläne und Szenarien entwickelt, Analysen durchgeführt und die Betroffenen auf den Wandel vorbereitet.
- Moving beschreibt die Phase des eigentlichen Changes. Änderungen werden vollzogen, Betroffene umgeschult und neue Strukturen und Prozesse werden etabliert.
- Refreezing beschreibt die Phase der Verfestigung der Veränderungen. Sie sind nun Teil des neuen Alltags und werden von den Betroffenen als neue Normalität betrachtet. Dazu gehört auch eine Überwachung der implementierten Veränderungen und deren allfällige Anpassung. Bei erfolgreicher Verfestigung führt dies schlussendlich zu einer neuen Struktur und der Kreislauf schliesst sich.
Die drei Phasen beschreiben somit wie es von einem ursprünglichen Gleichgewichtszustand zu einem neuen Gleichgewichtszustand kommt, der von grösserer Effizienz oder Effektivität geprägt ist.
Allerdings kann auch argumentiert werden, dass es heutzutage gar nicht mehr ein Refreezing gibt, da viele Unternehmen in ständigem Wandel sind. Deswegen ist Agilität in der heutigen Zeit so wichtig und Tools wie Scrum oder Kanban gewinnen zunehmend an Bedeutung. Zudem hat die Einfachheit des Modells auch seine Nachteile. Es ist zwar intuitiv verständlich und universell anwendbar, bietet aber inhaltlich keine Konkretisierung der notwendigen Schritte, die das Management anwenden muss, um eine erfolgreiche Umsetzung der Veränderungen zu erzielen. Das hat der Akademiker John P. Kotter erkannt und folglich 3-Phasen Modell von Lewin weiterentwickelt.
Das 8-Stufen Modell von John P. Kotter
Das 8-Stufen Modell von Kotter ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis weit verbreitet. Kotter’s Modell beinhaltet acht Stufen, die er als erfolgskritischer Bestandteil jedes Change Managements sieht. Nach einer umfangreichen Analyse von Wandlungsprozessen in Unternehmen hat er die acht wichtigsten Ursachen für das Scheitern von Veränderungen herausgearbeitet. Die acht Stufen liefern Lösungen zur Behebung dieser Probleme. Da Kotters Modell auf dem 3-Phasen Modell aufbaut, kann eine Relation der Modelle gemacht werden. Die ersten vier Stufen gehören zur Phase des Unfreezing in Lewins Modell, Stufe fünf bis sieben gehören zu Moving und die letzte Stufe gehört zur Phase des Refreezing.
- Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen
Als erstes soll bei den Mitarbeitern und den Führungskräften ein Gefühl der Dringlichkeit für den Wandel erzeugt werden. Solange das nicht erreicht ist sind die nächsten Schritte wenig effektiv, da der Fokus nicht auf dem Veränderungsprozess liegt.
- Eine Führungskoalition aufbauen
In einem zweiten Schritt soll eine Gruppe von Führungskräften gebildet werden, die als starke führende Kraft wirken soll. Denn grosse Veränderungen können nicht von einer einzigen charismatischen Führungskraft erreicht werden. Beim Aufbau der Koalition sollten Führungskräfte verschiedener Abteilungen mit unterschiedlichen Sichtweisen miteinbezogen werden. Zudem sollten sie gute Führungsqualitäten besitzen und eine hohe Kredibilität aufweisen.
- Eine Vision des Wandels entwickeln
Ist die Führungskoalition aufgebaut soll eine Vision und eine Strategie zur Erreichung der Vision entwickelt werden. Eine Vision kann nützlich sein, weil sie eine Stossrichtung vorgibt, die Betroffenen motiviert und Entscheidungsfindungen vereinfacht. Es soll lediglich die Option gewählt werden, die am meisten der Vision entspricht.
- Die Vision des Wandels kommunizieren
Die entwickelte Vision soll dann in einem nächsten Schritt breitflächig kommuniziert werden. Denn eine Vision erzielt nicht die gewünschte Wirkung, wenn sie nicht von allen Angehörigen einer Unternehmung verstanden wird und die neuen Ziele und die Stossrichtung verdeutlicht.
- Bevollmächtigung auf möglichst breiter Basis schaffen
Wenn nicht jeder im Unternehmen mithilft beim Wandel wird er höchstwahrscheinlich nicht gelingen. Deshalb ist es wichtig Mitarbeiter zu befähigen, um diese zu motivieren un zu befähigen nach der Vision zu handeln.
- Kurzfristige Erfolge sicherstellen
Bei all der Arbeit, die in einen Veränderungsprozess gesteckt wird, ist es wichtig, dass schon nach kurzer Zeit erste Erfolge beobachtet werden können. Die Erfolge motivieren die Betroffenen weiterhin die Vision zu erreichen und validieren auch die Strategie zur Erreichung der Vision. Deswegen sollten kurzfristige Erfolge schon im Vorneherein von der Führungskoalition eingeplant werden.
- Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten
Mit der Erreichung erster Erfolge kann an Schwung gewonnen werden. Dieser soll genutzt werden, um weitere tiefgreifendere Veränderungen voranzutreiben und den Fokus nicht zu verlieren.
- Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern
Nach einem erfolgreichen Veränderungsprozess ist es wichtig, dass die Veränderungen tief in der Unternehmenkultur verankert werden. Ansonsten kann sich die alte Unternehmenskultur trotzdem wieder durchsetzen, wenn die Menschen, die den Wandel vorangetrieben haben, aufhören die neuen Praktiken umzusetzen und zu verankern.
Trotz der breitflächigen Akzeptanz des 8-Stufen Modells gibt es auch einige Kritiken. Nebst der fehlenden empirischen Validierung wird oft der top-down Ansatz kritisiert – also die Initiierung von Veränderungsprozessen durch das Top-Management.
Im zweiten Teil dieser Blog-Serie werden wir sehen, dass auch bottom-up ein möglicher Ansatz für Change Prozesse sind.